Inhalt:
Einleitung:
Durch den demographischen Wandel unserer Gesellschaft muss die Gruppe der „Älteren“ und „Senioren“ immer mehr beachtet werden. Man spricht von Älteren ab einem Alter von ca. 40 bis 45 Jahren und von Senioren ab einem Alter von ca. 60 Jahren.
Nach Modellrechnungen des statistischen Bundesamtes zur Bevölkerungs-entwicklung in Deutschland ist davon auszugehen, dass sich bei gleichzeitiger Abnahme der Gesamtbevölkerung der Anstieg dieser Altersgruppen fortsetzen wird. Im Jahr 2030 wird wahrscheinlich die Gruppe der Älteren bei über 50 %, die der Senioren bei ca. 35 % liegen.
In Deutschland leben (2007) insgesamt 82 Mio. Menschen, davon sind 16 Mio. unter 20 Jahre, 21 Mio. zwischen 20 und 40 Jahre, 25 Mio. zwischen 40 und 60 Jahre und 20 Mio. über 60 Jahre
Dem muss auch der Ju-Jutsu-Sport Rechnung tragen. Wir dürfen aus verschiedensten Gründen auf diese Gruppen keinesfalls verzichten und müssen deshalb um diese werben. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir unseren Sport altersgerecht anbieten können und dies auch im Training und bei Prüfungen umsetzen.
Ju-Jutsu für Senioren - Zielgruppe:
Grundsätzlich sollten Jung und Alt gemeinsam trainieren. Kursteilnehmer sollten Kontakt zum regulären Training bekommen, um eine Integration zu ermöglichen. Speziell angesprochen werden soll mit diesem Konzept die Altergruppe der über 40 (45)–jährigen Ju-Jutsuka. Ziel dieses Trainings muss sein, sportlich ambitionierten Menschen auch im Alter oder bei vorhandenen Bewegungseinschränkungen eine Möglichkeit zu bieten, unser Ju-Jutsu in überzeugender Form zu lernen, zu trainieren und zu praktizieren.
Ju-Jutsu für Senioren - Warum?
Zunehmendes Alter führt häufig dazu, dass aufgrund von
• natürlichem Verschleiß
• möglichen Mobilitätseinschränkungen
• reduzierten konditionellen Fähigkeiten
• reduzierten koordinativen Fähigkeiten
nicht bzw. nicht mehr optimal Trainiert werden kann.
Ju-Jutsu bietet hier, gerade wegen seiner Vielfalt in der Ausübung bei gleichbleibender Effektivität, ideale Voraussetzungen, sich in einer körperschonenden Ausführung weiterhin fit zu halten, zusätzlich Selbstbewusstsein zu stärken und eine praktikable Selbstverteidigung zu erlernen bzw. aufrecht zu erhalten. Durch den Grundsatz des Budo, „ siegen durch nachgeben“, wird eine körperlich harte Konfrontation weitestgehend vermieden.
Ju-Jutsu für Senioren – unterschiedliche Voraussetzungen erforden Differenzierung bei der Ausbildung:
Innerhalb des seniorengerechten Ju-Jutsu Sports bietet sich die Gruppierung nach folgenden Gesichtspunkten an:
Gruppe 1: Senioren aus dem JJ-Sport:
Angepasste Technikschulung für Fortgeschrittene bzw. Wiedereinsteiger (auch aus artverwandten Budosportarten).
Gruppe 2: Senioren für den JJ-Sport:
Angepasste Technikschulung für Neu-Einsteiger (ohne Vorkenntnisse in Budo-Sportarten).
Gruppe 3: Seniorenkurse:
Schwerpunkt auf Prävention, schnell erlern- und leicht anwendbare JJ-Techniken, praktische Verhaltensweisen, Öffentlichkeitsarbeit usw.
Gruppe 4: Senioren für DUO-Wettkampf (Master-Class):
Hier wurde auf Basis des DUO-Wettkampfes ein Programm- und Regelwerk erstellt, das den Erfordernissen des Seniorensports im Wettkampfbereich gerecht wird.
Konzept für die Ausbildung
Für die Gruppe 1: „Senioren aus dem JJ-Sport“ und Gruppe 2: „Senioren für den JJ-Sport“ (Neueinsteiger) liegt das in Bayern bestehende „Ju-Jutsu-concept 40 plus“ vor. Neben Workshops werden diese Inhalte auch über die regelmäßig stattfindenden Trainerausbildungen an die Multiplikatoren weitervermittelt. Das Ju-Jutsu-Sportabzeichen in seiner differenzierten Aufteilung bietet hier ebenfalls ein ergänzendes Betätigungsfeld.
Training:
Natürlich kann im Rahmen des Ju Jutsu-Trainings neben der Technik nur im begrenzten Maße speziell die konditionelle und koordinative Fähigkeit trainiert werden. Dazu muss der ältere Trainierende über psychosoziale Komponenten zum Spaß an der Bewegung animiert werden. Im Alter sollten bei der Trainingsplanung und der sportlichen Belastbarkeitsgestaltung folgende Kriterien beachtet werden:
- dem biologischen Alter entsprechend trainieren
- dem individuellen Leistungsstand angepasst trainieren
- den persönlichen Interessen entgegenkommend trainieren
Dabei ist zu beachten, dass bei überstarken Reizen eine Schädigung, bei angemessenen Reizen eine Förderung und bei fehlenden Reizen eine Rückbildung eintritt. Eine allgemeine Regel zum Training für ältere Ju-Jutsuka kann natürlich nicht gegeben werden. Trainingsumfang und Trainingintensität muss grundsätzlich immer individuell an den Trainierenden angepasst werden.
Was bedeutet Ju-Jutsu für Senioren
- für den Trainings- / Lehrgangsteilnehmer:
• Aufbau und Erhaltung von körperlicher und geistiger Fitness.
• Wirkungsvolle Selbstverteidigung unter Berücksichtigung altersbedingter Einschränkungen im physischen und psychischen Bereich.
• Selbstvertrauen und reale Selbsteinschätzung im Verteidigungsfall durch Erkennen der eigenen Möglichkeiten und Grenzen.
• Körperliche Beanspruchung ohne Überforderung.
• Mehr Zeit zum Üben.
• Verstärkte Schulung im Basisbereich.
• Rollen, Stürze und Würfe: Erleichterung durch Einsatz von Weichbodenmatten. Körperschonende Technikausführung.
• Systembezogene, körperschonende Bewegungslehre und Gymnastik.
• Verstärkte Schulung der Koordination.
• Lehrgänge offen für Alt und Jung – keine Abschottung!
• Reduziertes Lehrgangstempo bei mehreren Zwischenpausen.
• Reduzierte Technikanzahl zugunsten von verstärkter Wiederholung.
• Gürtelprüfungen für Senioren mit abgestimmten Leistungsanforderungen.
• Anspruchsvolle Technik aber ohne Akrobatik
• Bleibender Kontakt zu gleichgesinnten Sportlern.
- für den Trainer:
• Zerlegung der Techniken in die Basiselemente.
• Reduzierung der Techniken auf die wesentlichen, für die Wirksamkeit erforderlichen Bestandteile.
• Sinnvolle Anpassung der Techniken an die Bewegungsmöglichkeiten der Teilnehmer.
• Reduziertes Lehrtempo zu Gunsten mehr Zeit zum Üben und Wiederholen. Keine Reizüberflutung. Angepasste Wiederholungszahlen.
• Lehrgänge mit mehreren Pausen zur Regeneration
• Verstärkte individuelle Betreuung der Teilnehmer.
• Gesundheitsfreundliche Ausführung der Techniken.
• Unterstützung durch Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich
Es sollte den älteren Ju Jutsuka, insbesondere den über 60 Jahren, unbedingt angeraten werden sich regelmäßig (alle 1 bis 2 Jahre) sportmedizinisch untersuchen zu lassen. Dabei sollte eine qualifizierte Beratung des Sportmediziners bezüglich Umfang und Intensität der Belastung, sowie eine sportmedizinische Untersuchung enthalten sein.
Verfahrensordnung / Prüfung
Prüfung:
Wenn immer möglich sollten Prüfungen für Ältere und Senioren in die normalen Vereins- bzw. Landesprüfungen integriert werden. Der Prüfling hat die Pflicht bei Anmeldung zur Prüfung, die Prüfungskommission über eventuelle Einschränkungen zu informieren und gegebenenfalls entsprechende Unterlagen, wie Auflistung von alternativen Techniken usw. vorzulegen. Dabei sind folgende Regelungen zu beachten:
- Techniken können altersgerecht, mit entsprechend verringerter Dynamik und Beweglichkeit gezeigt werden.
- Technikvarianten und Alternativen, die das Prinzip der Grundtechnik wiedergeben, können gezeigt werden (Anlage „Verfahrensordnung zu Ju-Jutsu Seniorenprüfungen“).
- Die Anzahl der geforderten Partnerwechsel ist bei freier Partnerwahl einzuhalten. Die Wechsel können vom Prüfling selbst bestimmt werden.
- In begründeten Einzelfällen ist der Einsatz eines prüfungsexternen Partners möglich.
- Der Prüfling hat Anspruch auf ausreichend Pausen, insbesondere bei Komplexaufgaben, freier Selbstverteidigung und freien Anwendungsformen.
- Eine Maximalbelastung des Prüflings ist unbedingt zu vermeiden.
- Der Prüfling muss bei allen Einschränkungen und Sonderregelungen das geforderte Programm technisch richtig und vor allem prinzipiengerecht zeigen. Er muss insbesondere die Prinzipien der verschiedenen Techniken verstanden haben.
Die Prüfungen für Ältere und Senioren werden nach den gleichen Kriterien bewertet wie die allgemeinen Prüfungen, d.h. die Qualität und die grundsätzliche Ausführung der Technik muss dem Selbstverteidigungscharakter und den Prinzipien des Ju-Jutsu entsprechen.
Kurse (Gruppe 3: Seniorenkurse)
1. Sicherheit für Senioren durch:
Prävention
• Sensibilisierung im Bezug auf Gefahren, ohne Angst hervorzurufen.
• Sicherheit zu Hause und unterwegs.
• Schärfen der Wahrnehmung.
Selbstbehauptung
• Sicheres Auftreten schützt nicht nur vor Übergriffen, es erleichtert auch das Leben ungemein.
• Richtige Einschätzung der eigenen Stärken und Möglichkeiten.
• Positives Körpergefühl vermittelt Sicherheit.
Selbstverteidigung
• Durchspielen von Gefahrensituationen
• Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten
• Üben von Schlägen, Stößen und Tritten an Schlagpolstern macht nicht nur Spaß, sondern fördert die Kondition, liefert Kraft und verhilft zur Erfahrung der eigenen Stärken.
• Schutz aufgrund gezielter Abwehrstrategien und durch unkomplizierte Abwehrtechniken.
• Abwehr von Angreifern mit legalen Hilfsmitteln.
2. Anforderungen an die Kursleitung
• Persönliche und charakterliche Eignung
• Techniksicherheit (Vermittlung von Ju-Jutsu Techniken)
• Didaktik (Was? - Lernzielformulierung, Unterrichtsinhalte, Bestimmung der Lernmethode)
• Methodik (Wie? - Methoden des Unterrichtens, Konzeption eines Lernangebotes)
• Sensibilität
3. Kursgrundlagen
• Formen der Gewalt (Sexuelle Gewalt, verbale Gewalt, Häusliche Gewalt, etc.)
• Opfer und Täterprofile (spezifisch nach Gewaltform)
• Selbstsicherheit (Selbstmotivation, Steigerung des Selbstwertgefühls)
• Konfliktverhalten (De- und Eskalation, Flucht, Hilfe, Gegenwehr)
4. Kursinhalte
• Prävention (vorbeugen, erkennen und einschätzen von Gefahren)
• Selbstbehauptung (Stimme, Sprache und Körpersprache)
• Selbstverteidigung (effektive und leicht erlernbare Ju-Jutsu-Techniken)
• Rechtlicher Rahmen (Gewaltschutzgesetz, Notwehr, Nothilfe, Waffenrecht)
5. Kursplanung und -durchführung
• Kursarten (Informationsabend, Wochenend- mehrwöchiger Kurs, etc.)
• Teilnehmerkreise (Ältere, Senioren und Menschen mit speziellen Hintergründen)
• Ressourcenplanung (Kosten, Raum, Infrastruktur, Werbung, Presse, Kooperation mit öffentlichen Stellen, Referenten, Teilnehmerzahl)
Sonstiges
Kriminalitätsprävention für Seniorinnen und Senioren
zeigt die kriminellen Methoden auf und gibt Tipps, wie sich ältere Menschen vor diesen Straftaten schützen können.
Langfassung der Studie "Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben alter Menschen"